Neuruppin – Mehr als eine Woche nach dem tragischen Unfall auf der B167, bei dem ein 74-jähriger Mann von einem Baum erschlagen wurde, rückt die Frage nach der Verantwortung in den Mittelpunkt. Während die Staatsanwaltschaft nun wegen des Verdachts der fahrlässigen Tötung ermittelt, erheben Anwohner schwere Vorwürfe gegen die Stadt. Sie berichten von einem systematischen Problem, bei dem Warnungen vor gefährlichen Bäumen ignoriert würden.
In einer offiziellen Stellungnahme drückten der Bürgermeister und die Beschäftigten der Stadtverwaltung ihre tiefe Betroffenheit und ihr Mitgefühl für die Angehörigen aus. Konkrete Angaben seien aufgrund der laufenden Ermittlungen nur eingeschränkt möglich, man kooperiere jedoch vollumfänglich mit den Behörden.
Entscheidend ist jedoch die Bestätigung der Stadt, dass der Baum Mängel aufwies: „Zum jetzigen Zeitpunkt kann nur gesagt werden, dass der Baum in jüngster Vergangenheit einer Regelkontrolle unterlag“, teilte Stadtsprecherin Michaela Ott mit. „Aufgrund des hier festgestellten Zustandes waren weitere Untersuchungen veranlasst worden, um die Grundlage für konkrete Maßnahmen zu schaffen (z.B. Kronensicherungsschnitt, Kroneneinkürzung oder endgültige Fällung).“
Staatsanwaltschaft ermittelt wegen fahrlässiger Tötung
Die neuen Erkenntnisse untermauern den Schritt der Staatsanwaltschaft Neuruppin. Wie die Polizei am Montag bestätigte, wird der Vorfall nicht mehr als reiner Verkehrsunfall behandelt. Stattdessen wurde ein Todesermittlungsverfahren eingeleitet, um zu klären, wer die Verantwortung für den Umsturz des Baumes trägt. Im Raum steht der Verdacht der fahrlässigen Tötung durch einen „etwaigen Sorgfaltspflichtverstoß durch Verantwortliche“. Die Ergebnisse der von der Staatsanwaltschaft beauftragten Gutachter liegen allerdings noch nicht vor.
Anwohner: „Wenn wir Bäume ansprechen, heißt es, es ist kein Geld da“
Die Tragödie hat nun Anwohner dazu veranlasst, ihre eigenen, langjährigen Sorgen öffentlich zu machen. Uns erreichten Zuschriften, die ein beunruhigendes Bild zeichnen. „Doch wenn wir als Anwohner Bäume ansprechen, heißt es immer, die sind gesund oder es ist kein Geld da / die Gelder sind aufgebraucht“, schreibt eine Person. Über den Unglücksbaum heißt es, er sei zwar voller grüner Blätter gewesen, aber „gesund war er definitiv nicht“.
Diese Erfahrungen seien kein Einzelfall. Ein Anwohner schildert die Situation vor der eigenen Haustür: „Seit Jahren wollen wir, dass mit einem Baum vor unserem Haus auch was passiert. Bei Sturm berührt er unser Dach, unsere Sorge: irgendwann stürzt er. Dann ist unser Haus platt.“ Trotz der offensichtlichen Gefahr werde der Baum nicht einmal ausgeästet. Selbst die Müllabfuhr fahre bereits dagegen. Eine offizielle Reaktion auf die Sorgen sei abweisend gewesen: „Ach, dieser Baum steht doch super und Geld steht für dieses Jahr nicht mehr zur Verfügung.“
Eine Kettenreaktion wirft Fragen der Zuständigkeit auf
Die Ermittlungen zum genauen Hergang deuten auf ein komplexes Geschehen hin. Der Unglücksbaum soll nicht direkt an der Straße, sondern in zweiter Reihe gestanden haben. Dorothée Lorenz, Sprecherin des Landesbetriebs Straßenwesen Brandenburg, erklärte, es habe eine Art Kettenreaktion gegeben, bei der ein Baum auf zwei Straßenbäume stürzte, „die dadurch auf die Straße kippten“. Der Landesbetrieb betont, dass die eigenen Bäume direkt an der B167 erst im Juli kontrolliert wurden und „fit und nicht morsch“ seien.
Die Ermittlungen konzentrieren sich nun darauf, wer für den offenbar mangelhaften Baum verantwortlich war. Die Aussagen der Anwohner werfen dabei die zusätzliche Frage auf, ob es sich um ein tragisches Einzelversäumnis oder um ein systematisches Problem bei der Baumpflege und der Bearbeitung von Bürgerhinweisen handelt.